Treffen mit Herrn Finanzminister Hilbers am 27.06.2019
Am 27.06.2019 trafen sich Vertreter der Steuer-Basis-Gewerkschaft (SBG) mit Herrn Finanzminister Hilbers und weiteren Vertretern des Finanzministeriums, um die kritische Situation in der Finanzverwaltung zu erörtern. Es ging dabei schwerpunktmäßig um folgende Themen :
Drastisches Personalfehl
Der Vorsitzende der SBG, Tobias Matter, versuchte Herrn Finanzminister Hilbers die äußerst angespannte Personalsituation in der Nds. Finanzverwaltung (Personalfehl von 1.293 Vollzeiteinheiten bzw. Besetzung von nur 88,19% zum 01.02.2019) anhand eines plastischen Beispiels näher zu verdeutlichen:
Herr Hilbers möge sich bitte vorstellen, dass er nach einer Landtagswahl den Wahlkreis
der Grafschaft Bentheim gewonnen hätte. Aufgrund Personalmangels seien jedoch nur 88,19% und damit 77 der 87 Nds. Wahlkreise besetzt. Leider bliebe auch der Wahlkreis Lingen (neben der Grafschaft Bentheim) unbesetzt und er müsse diesen jetzt mitbetreuen. So könne er sich die Situation in den Finanzämtern vorstellen, z.B. in der VVSt oder Allgemeinen Veranlagung, wenn der Sachbearbeiter für die Steuerbezirke 101 bis 110 die Steuerbezirke 111 bis 120 mitbetreuen müsse – vielleicht für Wochen, evtl. für Monate oder gar Jahre. Und wenn ein Loch gestopft werde, werde es an anderer Stelle gerissen.
Der Vorsitzende fragte den Minister, ob es für ihn trotz seines bereits randvollen Terminkalenders leistbar sei, nun auch noch den Nachbarwahlkreis innerhalb seiner Arbeitszeit quasi nebenbei mitzubetreuen. Der Minister räumte ein, dass er dann beide Wahlkreise nicht mehr so intensiv betreuen könnte wie bisher.
Die SBG meinte, genau dies sei das Problem. Die Anzahl der Steuerpflichtigen und Steuerberater nehme nicht ab und die Aufgaben der Steuerverwaltung stetig zu. Eine weniger intensive Prüfung gehe nicht nur zu Lasten der Steuergerechtigkeit, sondern führe auch dazu, dass konkret weniger Steuern eingenommen würden.
Der Minister sah hier dennoch keinen akuten Handlungsbedarf. Auch Herr Hüdepohl, Abteilungsleiter Steuern, erläuterte der SBG, dass die Personalbedarfsberechnung (PersBB) keineswegs dahingehend auszulegen sei, dass sie den Personalbedarf abbilde. Vielmehr gehe es darum, anhand der PersBB das vorhandene Personal innerhalb der Finanzverwaltung gerecht zu verteilen.
Dieser kreativen Auslegung des Sinns einer Personalbedarfsberechnung widersprach die SBG energisch. Der Vorsitzende der SBG wies darauf hin, dass durchgängig in allen Dienststellen der Nds. Finanzverwaltung Personal fehle und die Kolleginnen und Kollegen deshalb seit Jahren immer mehr Aufgaben weit über ihr eigentliches Arbeitssoll von 100% übernehmen müssten und dies zu untragbaren Belastungen führe, wobei vorgeschriebene zusätzliche Pausen bei fortschreitender Bildschirmarbeit und Digitalisierung noch gar nicht einberechnet seien. Die Arbeitsschutzvorschriften sähen klar vor, dass die Arbeitsplätze so zu organisieren seien, dass die Beschäftigten gesund blieben und nicht krank würden und Herrn Minister Hilbers als unserem obersten Dienstherrn hier eine besondere Fürsorgepflicht obläge.
Den Umstand, dass viele Kolleginnen und Kollegen aufgrund immer weiter zunehmender Arbeitsbelastung frühzeitig in Pension gehen, konnte sich der Minister nicht erklären.
Seiner Meinung nach sei die Steuerverwaltung eine hochmoderne und sehr attraktive Verwaltung. Auch dank der modernen Methoden der Nachwuchsgewinnung durch gezielte Werbeaktionen könnten immer alle Ausbildungsplätze neu besetzt werden. Die SBG wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es nicht nur darum ginge, Anwärter/innen zu gewinnen. Damit die gut ausgebildeten Anwärter/innen auch in Zukunft ihren Platz in der Finanzverwaltung sähen und sich nach Abschluss ihrer Ausbildung nicht nach einem anderweitigen Arbeitsplatz umsähen, müsse die Attraktivität der Finanzverwaltung verbessert werden. Dabei kommt es nach Auffassung der SGB nicht nur auf die
Arbeitszeitbedingungen, sondern auch auf die Entlohnung an.
Übernahme des Tarifabschlusses für den Beamtenbereich
Die SBG machte deutlich, dass die zeitversetzte Übernahme des Tarifabschlusses und die verspätete Zahlung nicht gerade für eine Wertschätzung der Landesregierung für den Beamtenbereich spräche.
In der Vergangenheit sei es zudem zumindest möglich gewesen, den Beamt(inn)en zunächst Abschläge zu zahlen und die Zahlung nicht bis in den Herbst hinauszuzögern – das habe es bereits unter Herrn Finanzminister Möllring gegeben. Der Minister zeigte sich diesem Vorschlag der SBG offen gegenüber und versprach, nach dem nächsten Tarifabschluss eine derartige Umsetzung zu prüfen.
Besoldung
Die SBG legte dem Minister Übersichten vor, aus denen hervorging, dass Niedersachsen in der Eingangsbesoldung in den Besoldungsgruppen A7 und A9 selbst bei einer Umrechnung auf eine 40- Stunden-Woche bundesweit Schlusslicht bei der Besoldung sei. Die SBG sah hierin eine weitere fehlende Wertschätzung der Landesregierung für die Arbeit der niedersächsischen Beamtinnen und Beamten. Dies werde als höchst ungerecht empfunden. Der Minister nahm die Übersichten mit und versprach eine Prüfung.
Anwärtergewinnung
Unter den oben genannten Gesichtspunkten legte die SBG dar, dass es in Zukunft nicht leichter werde, Anwärter(innen) zu gewinnen und nach der Ausbildung zu halten. Die Finanzverwaltung könne zwar mit Gender Pay und bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf punkten, habe aber insbesondere bei der Personalausstattung und der Besoldung noch enormen Aufholbedarf.
Die Bestandserhaltungsquote könne zur Zeit nicht erreicht werden und dass die Automation die immer größer werdenden Personallücken auffangen könnte, hielten wir angesichts anhaltender Technikprobleme und enormen Mangels an erforderlichem IT-Personal für unwahrscheinlich. Herr Minister Hilbers sprach hier selbst von einem derzeitigen Personalfehl von 65 Personen im IuK-Bereich.
Zustand Steuerakademie
Die SBG wies darauf hin, dass der Zustand der Steuerakademie in Rinteln zwar im Bereich der neuen Hörsäle gelungen sei, der Rest des Gebäudes aber viel Luft nach oben böte. Insbesondere die in die Jahr(zehnt)e gekommenen Aufzüge und der Altbau vermittelten keinen guten Eindruck und seien nicht inklusionsgerecht bzw. barrierefrei.
Die SBG warb unter Hinweis auf andere Bundesländer außerdem dafür, die technische Ausstattung der Steuerakademie im Hinblick auf die Digitalisierung der Ausbildung wesentlich zu verbessern und neben entsprechenden Endgeräten für die Lehrkräfte und Anwärter/innen je zwei Vollzeitstellen in Rinteln und Bad Eilsen für die Programmierung der Ausbildungsinhalte zu gewähren.
Herr Finanzminister Hilbers sagte auch hier eine Prüfung zu.
Hamburger Modell
Die SBG sprach nun auch im Finanzministerium das sogenannte „Hamburger Modell“ an und trat dafür ein, dass die Beamt(inn)en, die sich z.B. aufgrund einer Schwerbehinderung für die gesetzliche Krankenkasse entscheiden, einen pauschalen Zuschuss zu ihren Krankenversicherungsbeiträgen erhalten. Denn im Moment kann es durch die oft enorm hohen Krankenversicherungsbeiträge dieser Kolleginnen und Kollegen zu einer weiteren erheblichen Unteralimentierung kommen.
Zu dem Thema wurde kontrovers diskutiert. Ein weiterer Austausch ist geplant.
Wir sind in ständigem Kontakt mit der Politik, auch wenn zu den einzelnen Treffen keine Veröffentlichungen erfolgen.