Der Kommentar zum Treffen

Wir konnten uns im Gespräch des Eindrucks nicht erwehren, dass Minister Hilbers das
Heft seines Vorvorgängers und Hardliners Hartmut Möllring fortführen möchte. Die von
den unionsgeführten Ländern vielfach beschworene schwarze Null soll anscheinend
wieder einmal auf Kosten der Beschäftigten der Finanzverwaltung durchgedrückt
werden. Wie früher hatten wir das ungute Gefühl, dass der Minister uns Bedienstete der
Finanzverwaltung ausschließlich als Kostenfaktor betrachtet. Eine Wertschätzung für das Personal, das trotz widrigster Umstände tagtäglich das Steuersäckel unseres Staates füllt, ist nicht zu erwarten. Im Verlauf unseres Gesprächs hatten wir nicht einmal das Gefühl, dass der Minister unseren Forderungen nach mehr Personal oder nach einer „Motivationsspritze“ entgegen kommen wird.

Während die Lehrerschaft und die Polizei gerade um 1.000 bzw. 650 Vollzeitstellen
aufgestockt worden ist, bleibt die Finanzverwaltung weiterhin erheblich unterbesetzt. Die
487 Nachwuchskräfte, die im Haushaltsjahr 2019 in unserer Verwaltung eingestellt werden sollen, reichen nicht einmal aus, um die kommenden Altersabgänge auch nur ansatzweise
zu kompensieren. Vergleicht man das Stellenhebungsmodell des Haushaltsjahres 2019 für
Polizeibeamte mit dem für Finanzbeamte (500 zu 180 Stellenhebungen), kann man feststellen, dass Finanzbeamte nur in homöopathischen Dosen gefördert werden.

Durch die Nichtbeachtung der Personalbedarfsberechnung werden die Kolleginnen und Kollegen unserer Verwaltung seit Jahren gezwungen, weit über 100% der eigentlich geschuldeten Arbeitsleistung zu erbringen. Die negativen Folgen sind nicht zuletzt anhand der in den letzten Jahren stark gestiegenen Krankheitstage ablesbar. Hier
helfen auch Mitarbeiterbefragungen und Gesundheitsmanagement nicht weiter. Das hieraus keine weiteren Schlüsse gezogen werden, spricht für eine gehörige Portion Ignoranz seitens der Verantwortlichen.

Wie bereits seine Vorgänger lässt sich Minister Hilbers von seinem Glauben an den
technischen Fortschritt leiten. Deshalb soll wieder einmal der Digitalisierungsprozesse
verstärkt vorangetrieben werden, damit ganz schnell Personal eingespart werden kann.
Scheinbar liegen im Finanz-ministerium genügend Science Fiction-Romane aus, die die
neuen Minister zur Einführung lesen können. Die Realität sieht zur Zeit jedoch anders aus.
Die Einführung von Konsens hat nicht zu Personaleinsparungen sondern tatsächlich zu
einem Personalmehrbedarf geführt. Um auf den Boden der Tatsachen zu gelangen, sollte
man sich als Finanzminister einmal mit den tatsächlichen Verfahrensabläufen im
Finanzamt befassen. Selbst wenn die neuen Programme und Digitalisierungsprozesse in
einigen Jahren zu einem verminderten Personalbedarf führen könnten, führen derzeit nicht gänzlich ausgereifte Programme und die ständige Neueinführung weiterer Programme zu einer beachtlichen Mehrbelastung des ohnehin schon erheblich unterbesetzten Personalkörpers.

Die aktuellen Herausforderungen in den Finanzämtern und im völlig unterbesetzten IuK Bereich sind gewaltig. Zahlreiche Konsensprogramme müssen in Niedersachsen
entwickelt oder übernommen und betreut werden. Hinzu kommt die beschlossene Softwaremigration von Linux zu Windows. Überdies werden den Finanzämtern und dem IuK-Bereich wegen der anstehenden Neubewertung der Grundstücke und dem internationalen Datenaustausch weitere Aufgaben aufgebürdet. Diese sind eigentlich nur mit zusätzlichem Personal zu bewältigen. Ohne erforderliche Neueinstellungen wird der Personalkörper jedoch weiter schrumpfen. Denn die Altersabgänge (40% bis 2025 lt. Finanzministerium) können nicht annähernd durch die bis jetzt geplanten Neueinstellungen ausgeglichen werden. Da sind 25 zusätzliche Finanzanwärter im Jahr 2019 nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Bei der Planung der Neueinstellungen wurde anscheinend auch nicht berücksichtigt, dass nicht jede(r) Auszubildende die Laufbahnprüfung ablegt bzw. besteht. Des Weiteren gibt es immer wieder junge Kolleg(inn)en, die auch nach bestandener Laufbahnprüfung aus diversen Gründen die Finanzverwaltung verlassen. Nach unserer groben Schätzung fehlen unserer Verwaltung bis zum Jahr 2025 rund 2.000 Beschäftigte.

Das Beste ist, dass die Regierung entgegen ihrer Zielsetzung des Personalabbaus in den
Ministerien mit dem Nachtragshaushalt 2018 die Ministerien um insgesamt 100 Vollzeitstellen aufgestockt hat (bei insgesamt rd. 2.500 Vollzeitstellen in den Ministerien und der Staatskanzlei). Hiervon sind allein 32 Stellen für das Finanzministerium bestimmt.
Wir finden, dass es sich bei der Aufstockung der Ministerien um einen typischen Fall von
„Wasser predigen und Wein trinken“ handelt.

Wir verstehen nicht, weshalb das Finanzministerium bei sinkendem Personal in den
Finanzämtern einen Personalmehrbedarf hat. Das erinnert uns an das Gleichnis vom
Wettrudern, bei dem nach jedem verlorenen Durchgang die Ruderer durch Steuermänner
ersetzt werden. Zum Schluss wundert man sich, warum es in der Wertung nur zum letzten
Platz gereicht hat.

Die Regierung Niedersachsens betreibt zur Zeit eine Leuchtturmpolitik. Hier werden
horrende Summen in strahlende Projekte gesteckt, ohne zu merken, dass sich das Fundament ohne die erforderlichen Sanierungsarbeiten bereits auflöst. Sogar ein einfacher Kaufmann sollte verstehen, dass man sein eigenes Personal nicht ohne Folgen bis ins Unendliche demotivieren kann.

Junge Menschen sollten sich bei den o. a. Arbeitsbedingungen genau überlegen, ob sie
selbst genügend Idealismus und Leidensfähigkeit sowie eine große Portion Altruismus für
einen Job in der Finanzverwaltung mitbringen, denn mit den Botschaften in den vier neuen Werbevideos hat die Realität in den Finanzämtern wenig zu tun.

Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Verwaltung, die das Geld für den Staat generiert
dermaßen kaputt gespart wird. Wo bleibt die Fürsorgepflicht des Dienstherrn?

Tobias Matter
Vorsitzender