Adios DSTG – Hallo SBG

Nach reiflicher Überlegung haben wir uns entgegen unserer ursprünglichen Absicht dazu entschlossen, doch noch eine öffentliche Stellungnahme zu einem Vorgang abzugeben, der uns mit einer gewissen Bitterkeit, aber auch mit Wehmut erfüllt.

1970 bzw. 1974 sind wir am ersten Tag unseres Eintritts in den öffentlichen Dienst zugleich Mitglieder der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG) geworden, die damals noch unter dem Namen „Bund Deutscher Steuerbeamten“ firmierte.

Unsere ununterbrochene Mitgliedschaft endete am 26. September 2012 durch Ausschluss mit sofortiger Wirkung. Mit Einschreiben gegen Rückschein wurde uns mitgeteilt, dass der Geschäftsführende Vorstand der DSTG Landesverband Niedersachsen diesen Beschluss einstimmig getroffen habe.

Diese Nachricht ereilte uns mehr als ein halbes Jahr nach den Personalratswahlen. Eine Vorankündigung mit der im Rechtsstaat grundsätzlich üblichen Chance zur Stellungnahme (Anhörung) gab es nicht.

Was wird uns vorgeworfen?

Zitat Ausschlusseinschreiben:
„Sie haben bei den Personalratswahlen 2012 ohne Genehmigung des Geschäftsführenden Vorstands auf dem konkurrierenden Wahlvorschlag „Freie Liste / Steuer-Basis-Gewerkschaft“ für den Hauptpersonalrat-Steuer beim Niedersächsischen Finanzministerium und den Bezirkspersonalrat-Steuer bei der Oberfinanzdirektion Niedersachsen kandidiert und damit dem Ansehen der Deutschen-Steuer-Gewerkschaft Landesverband Niedersachsen erheblichen Schaden zugefügt. Durch Ihr Auftreten wurde der Eindruck erweckt, unserem Landesver-band fehle es an innerer Geschlossenheit. Hierdurch wurde unser Erfolg bei den Personalratswahlen gefährdet.

Ferner haben Sie unseren Verbandszweck, gemeinsam für die Anliegen unserer Kolleginnen und Kollegen einzutreten, durch Ihr Auftreten gefährdet. Sie haben Ihr Individualinteresse, Mitglied einer Stufenvertretung zu werden, über das Interesse des Verbandes gestellt.“

Was haben wir wann getan und warum haben wir es getan?

Wir haben bei den Wahlen zum Bezirks- und Hauptpersonalrat 2004, 2008 und 2012 als Mitglieder der DSTG jeweils auf einer freien Liste in Konkurrenz zur DSTG kandidiert.

Dies ist sicherlich diskussionswürdig und wurde auch im Ortsverband Leer, in dem wir seit Jahrzehnten im Vorstand tätig waren, diskutiert.

Zuletzt auf der Mitgliederversammlung am 29.11.2011, also frühzeitig vor den letzten Personalratswahlen. Die versammelten Mitglieder haben schließlich in einer Abstimmung ohne Gegenstimme bei drei Enthaltungen unsere Kandidatur für die überörtlichen Personalräte genehmigt.

Zuvor hatten wir zum wiederholten Male erläutert, weshalb wir meinen, auf diese Weise nicht nur etwas für alle unsere Kolleginnen und Kollegen tun zu können, sondern wir wollten mit  diesem Handeln Signale und Zeichen setzen, um in der DSTG etwas zu bewegen.

Wir haben in den langen Jahren als Mitarbeiter des Landes Niedersachsen feststellen müssen, dass insbesondere im Beamtenbereich das Land Niedersachsen als Arbeitgeber bei jeder passenden Gelegenheit für immer negativere Rahmenbedingungen gesorgt hat. In vielen Verhandlungen wurde seitens der Gewerkschaften -auch der DSTG- versucht, das Bestmögliche zu erreichen oder noch Schlimmeres zu verhindern. Was dabei bis heute raus gekommen ist, wissen wir alle. Es waren halt im Endeffekt immer nur Gespräche und keine Verhandlungen auf Augenhöhe.

Die Tendenz, den Beamten, insbesondere unter dem Hinweis auf den sicheren Arbeitsplatz,  immer mehr an Grausamkeiten zuzumuten, gibt es seit Ende der 1970er Jahre.  Da wir schon damals merkten, dass mit bitten und betteln nur sehr wenig zu erreichen ist, hatte der Ortsverband Leer bereits 1984 auf dem Landesverbandstag der DSTG in Hannover den Antrag gestellt, dass der Landesvorstand sich für das Streikrecht für Beamte einsetzen möge.

Dies war offenbar zu dem Zeitpunkt so revolutionär, dass wir -milde formuliert- von allen Anderen belächelt wurden. Das Abstimmungsergebnis mussten wir als vernichtende Niederlage zur Kenntnis nehmen.

Nichtsdestotrotz haben die Mitglieder des DSTG-Ortsverbands Leer unter dem Eindruck immer weiterer Verschlechterungen  im Beamtenbereich in den Folgejahren versucht, für das Thema „Streikrecht für Beamte“ in der DSTG und im Deutschen Beamtenbund (dbb) Gleichgesinnte zu finden.

Dies stieß bei anderen DSTG-Ortsverbänden auf teilweises Interesse, auf höherer DSTG-Ebene und beim dbb aber war absolute Ablehnung zu spüren.

Aufgrund dieser Erkenntnisse und unter dem Eindruck, bei einer überörtlichen Veranstaltung im Rahmen der Personalratstätigkeit von vielen Kolleginnen und Kollegen im Regen stehen gelassen worden zu sein, haben wir zwei uns Ende des Jahres 2003 entschlossen, auf einer „Freien Liste“  für die überörtlichen Personalräte zu kandidieren.

Unser Ziel war, im Rahmen dieser Personalratstätigkeit zwar loyal und vertrauensvoll mit der

Dienstherrenseite und den anderen Personalratsmitgliedern zusammenzuarbeiten, aber bei jeder passenden Gelegenheit auch auf Grenzen der Zumutung hinzuweisen.

Zugleich hegten wir die Hoffnung, auf diese Weise landesweit Schwung in die DStG zu bringen, um auch vor Jahren noch revolutionäre Ideen mehrheitsfähig zu machen. Es ging uns also nicht um Stimmung gegen die DSTG!

Wir setzten auf innergewerkschaftliches Nach- und Umdenken.

Der DSTG-Ortsverband Leer stellte daraufhin 20 Jahre nach dem ersten Anlauf beim Landesverbandstag 2004 erneut den Antrag, dass der Landesvorstand sich für die Erkämpfung des Streikrechts für Beamte einsetzen möge. Mit Hinweis auf die mögliche Einreichung einer Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Auch diesmal empfahl der Landesvorstand, den Antrag abzulehnen. Nach intensiver Diskussion und der Feststellung, dass ein gewichtiger Teil der Delegierten sich durchaus mit dieser Idee anfreunden konnte, wurde seitens des Landesvorstandes ein entschärfter Kompromissvorschlag in den Raum gestellt, der das Wort „Streik“ nicht mehr beinhaltete, aber mehrheitlich Zustimmung fand. Immerhin – wir waren einen Schritt weiter.

Überörtlich mussten die Verfasser dieses Berichtes sich aber den Vorwurf gefallen lassen, inkonsequent zu sein. Man könne auch nicht bei zwei Vereinen gleichzeitig in der Fußballbundesliga spielen. Es fielen Worte wie „Abtrünnige“ oder „Verräter“.

Dabei wurde und wird aber eines vergessen:
In der Fußballbundesliga haben Spieler und Mannschaft nur ein Ziel, nämlich möglichst jeden Gegner zu besiegen, um am Ende der Saison Meister zu werden.

Wir aber hatten nicht das Ziel, die DSTG zu bekämpfen und ihr Schaden zuzufügen, wir wollten nur dazu beitragen, sie ein wenig zu reformieren. Der Gegner war hier nicht eine andere Liste oder eine andere Gewerkschaft  –  gemeinsamer „Gegner“ war und ist hier der Dienstherr, der seine Alimentationspflichten immer mehr vernachlässigt!

Auf dem Landesverbandstag 2008 wurde vom DSTG-Ortsverband Leer der Antrag betr. Streikrecht für Beamte erneut gestellt und fand nun endlich eine Mehrheit.

Inzwischen hatte man den Beamten in Niedersachsen die Sonderzuwendungen (Urlaubs- u. Weihnachtsgeld) bis auf einen kläglichen Restbetrag im Bereich A 1 bis A 8 ganz gestrichen. Auch der Verständnisvollste hatte erkannt, dass man uns quasi nach Gutsherrenart behandelt  und wir ohne adäquate Verhandlungsalternativen auf verlorenem Posten stehen.

Der Landesvorstand der DSTG hatte nun also den Auftrag,  sich auf anderen Ebenen explizit für das Streikrecht für Beamte einzusetzen.

Sicherlich keine leichte Aufgabe, da in dieser Hinsicht vom dbb als Dachorganisation nichts zu erwarten war und wohl auch in absehbarer Zukunft nichts zu erwarten ist.  So malen die verantwortlichen Vertreter sowohl in Bund (dbb) und Land (nbb) für den Fall des Beamten-streikrechts seit Jahren das Ende des Berufsbeamtentums an die Wand.

Nicht nur das, der dbb stellt sich voll auf die Seite des Arbeitgebers!

Beispiel:
Da hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf (VG) in einer Disziplinarsache zu entscheiden, bei der einer beamteten Lehrerin wegen der Teilnahme an einem Warnstreik eine Geldbuße von 1 500 Euro auferlegt worden war.  Das VG hob im Kj. 2010 die Disziplinarverfügung auf unter Berufung auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Die Verweigerung des Streikrechts für Beamte, die nicht im traditionell hoheitlichen Bereich eingesetzt sind, sei rechtswidrig.

Sofortige Reaktion des dbb in einer öffentlichen Erklärung (Auszug):
„Wir erwarten von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, dass sie gegen diese Entscheidung Berufung einlegt.  Ein sinnvolles Berufsbeamtentum gibt es nur ohne Streikrecht und nur so sichern wir die flächendeckende und kontinuierliche Funktionsfähigkeit des Staates.“

Und so geschah es dann auch. Die Berufung des Dienstherrn hatte Erfolg.  Das Oberverwaltungsgericht Münster hob im März 2012 das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage der Lehrerin ab.

Zur Begründung führte das Gericht u. a. aus, dass die in Art.11 Europäische Menschenrechtskonvention und Art. 11 GG geregelte Koalitionsfreiheit durch die in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums eingeschränkt werde.

Damit stehe Beamten in der Bundesrepublik Deutschland mit Blick auf deren Treuepflicht gegenüber ihrem Dienstherrn und vor dem Hintergrund der Erhaltung der Funktionsfähigkeit staatlichen Handelns ein Streikrecht nicht zu.

Der dbb jubelte und fühlte sich in seiner Auffassung voll bestätigt:
„Diese Entscheidung bringt Stabilität und Rechtssicherheit für die Beamten, die Dienstherren und unser gesamtes Staatswesen. Das besondere Dienst- und Treueverhältnis, mit allen sich daraus ergebenden wechselseitigen Rechten und Pflichten, hat sich bewährt.“

Wie bitte?
Und was ist mit der Streichung der Sonderzuwendungen  bei den Beamten in Niedersachsen?

Quasi eine Kürzung der Jahresbezüge um ca. 8 %!!!

Unabhängig von den Ansichten des dbb hat der DSTG Landesverband Niedersachsen im Juni 2012 auf dem 17. Steuer-Gewerkschaftstag in Münster einen Antrag  zur Stärkung der Beteiligungsrechte der Gewerkschaften gestellt .

Leider ist im Antrag nur von verbindlichen Vertragsverhandlungen die Rede. In der Begründung wird zwar erwähnt, dass Kolleginnen und Kollegen verstärkt das Streikrecht fordern, gleichzeitig wird aber auch eine Abwägung zwischen Funktionsfähigkeit staatlichen Handelns und Streikrecht vorgenommen.

Tatsache ist, dass in der Bundesrepublik Deutschland ein Streikverbot für Beamte weder nach den Beamtengesetzen noch nach dem Grundgesetz namentlich existiert. Es wurde allerdings von der Verwaltungsrechtsprechung bisher immer wieder konstruiert und behauptet (siehe oben).

In den meisten Ländern der EU ist das Streikrecht für Beamte in der Verfassung garantiert oder gesetzlich geregelt. Teilweise mit Einschränkungen für Polizei, Militär und Justizorgane, um die innere und äußere Sicherheit zu gewährleisten.

Um in Deutschland einen Durchbruch zu erzielen, ist offenbar nur der Weg zum EuGH zielführend.

Dieser Schritt kann aber mit dem dbb nicht gegangen werden.

Der DSTG-Ortsverband Leer hatte deshalb unter Hinweis auf diesen mit dem dbb nicht zu gehenden Weg auf dem DSTG-Landesverbandstag 2012 den Antrag gestellt, dass der Landesvorstand sich für den Austritt aus dem Dachverband “dbb beamtenbund und tarifunion“ und den Eintritt in die Dachorganisation „DGB“ einsetzen möge.

Dieser Antrag erhielt im Vorfeld vom Landesvorstand die Empfehlung „Ablehnung“ und wurde dann von den Delegierten des Landesverbandstages am 26.09.2012 auch mit klarer Mehrheit abgelehnt.

Am selben Tag traf der Geschäftsführende Vorstand die Entscheidung, alle Mitglieder – und somit auch uns –  aus der DSTG auszuschließen, die auf fremden Listen für die überörtlichen Personalräte kandidiert hatten.

Berufung beim Ehrenrat haben wir mangels Erfolgsaussichten nicht eingelegt. Die Zustimmung der Mitglieder des DSTG Ortsverbandes betr. Kandidatur auf konkurrierenden Listen hat nach Meinung des Landesvorstandes nur Gültigkeit für die Ortsebene, für die Kandidatur auf überörtlicher Ebene hätte es lt. Satzung eines Beschlusses des Geschäftsführenden Vorstandes bedurft.

Dieser Auslegung der Satzung einmal folgend, wäre der Ausschluss aber nicht zwingend ge-wesen. Der entsprechende Paragraph enthält eine Kann-Bestimmung.

Abgesehen von dem nicht gewährten rechtlichen Gehör, wäre es schön gewesen, sich seitens des Geschäftsführenden Vorstandes der DSTG zu Pluralismus, Meinungsvielfalt und unkonventionellem Denken und Handeln  zu bekennen.

Wir wollen mit dieser Stellungnahme in keiner Weise nachtreten oder schmutzige Wäsche waschen. Gerne denken wir an die Zusammenarbeit hier im Ortsverband Leer zurück und bedanken uns bei den Mitgliedern für das uns in den vergangenen Jahrzehnten entgegenge-brachte Vertrauen. Auch werden uns die von uns mit organisierten und unter dem Namen der DSTG durchgeführten Aktionen an Samstagen in der hiesigen Fußgängerzone unvergesslich bleiben.

Dass man nach unserer Meinung nur als Gemeinschaft etwas erreichen kann, setzen wir als bekannt voraus. Als Einzelkämpfer ist man auf der Ebene, um die es hier geht, ohne Chance.

Deshalb haben wir uns während unserer DSTG-Mitgliedschaft bis zuletzt immer dafür eingesetzt, dass  alle neuen Anwärterinnen und Anwärter über Sinn und Zweck dieser Gewerk-schaft informiert und möglichst auch Mitglied werden.

Um auch losgelöst von der Personalratstätigkeit weiter öffentlich unsere Meinung sagen zu können, werden wir zukünftig als Mitglieder der Steuer-Basis-Gewerkschaft (SBG) für die Interessen der Kolleginnen und Kollegen eintreten.

Wir werden wie bisher eine gerechte Besoldung (Weihnachtsgeld!) im besonderen Blickfeld haben und auch das Streikrecht für Beamte weiter intensiv verfolgen.

Wir setzen auf Meinungsfreiheit und Toleranz. Für uns sind andere Gewerkschaften keine Gegner, sondern Gesprächspartner und Mitstreiter für die Rechte der Bediensteten in der niedersächsischen Steuerverwaltung.

Horst Kühnapfel           Peter Meyer

Leer, im Februar 2013