Verlängerte Öffnungszeiten der Finanzämter – oder: Wer hat an der Uhr gedreht?

Monatelang waren die niedersächsischen Finanzämter coronabedingt für den Publikumsverkehr geschlossen, ab dem 01.07. wird der Bürger „seinen“ Finanzbeamten bei Bedarf auch wieder persönlich aufsuchen können.
Dabei liegt die Betonung auf „bei Bedarf“. Denn wenn die Schließungen der Finanzämter eines gezeigt hat, dann dass sich Angelegenheiten mit dem Finanzamt auch schriftlich, telefonisch oder digital erledigen lassen. Insbesondere dann, wenn es sich um die Abgabe von Unterlagen und Steuererklärungen, das Einholen von Auskünften oder den Erhalt von Papierformularen handelt. Das Kerngeschäft der Service-Center der Finanzämter.

Man darf also berechtigt die Frage stellen, ob es diesen Bedarf überhaupt gibt. Aber stellen wir hier im Interesse eines guten Rufs der Finanzverwaltung ruhig den Servicegedanken in den Vordergrund und schauen, anders als in allen anderen Teilen der Personalverwendung, nicht nur auf Effizienz und Erledigungszahlen: Es ist sicherlich ein wichtiges Zeichen der Bürgernähe, wenn Finanzämter eben nicht unnahbar und unpersönlich sind, sondern für die Bürger erreich- und ansprechbar.

Jedenfalls besteht aber kein Bedarf an einer Erweiterung der Öffnungszeiten. Es zeigte sich doch deutlich, dass der persönliche Service zwar eine gutgemeinte Dienstleistung am Bürger ist, keineswegs jedoch eine unverzichtbare Notwendigkeit.

Die Gesellschaft verändert und digitalisiert sich. Der Bürger möchte den zeitlichen Aufwand im Umgang mit Behörden effizient und mit möglichst geringem Zeitaufwand gestalten. Gleichzeitig fördert und fordert auch die politische Entscheidungsebene die Digitalisierung der Verwaltungsvorgänge und verpflichtet Steuerpflichtige teils zur elektronischen Erklärungsabgabe.

Hier wirkt eine Erweiterung der Öffnungszeiten wie ein Anachronismus.

Service kostet Geld, Service muss man sich auch leisten können. Und die Kolleginnen und Kollegen in den Ämtern müssen den Service leisten können.
Die Arbeitszeit in den Service-Centern ist vergleichsweise ineffizient investiert. Der Besuch des Steuerpflichtigen wird immer mehr Zeit in Anspruch nehmen als die telefonische oder schriftliche Kommunikation. Auch Leerlaufzeiten im Publikumsbereich sind nicht gänzlich zu eliminieren.

Diese Erkenntnis geht jedoch nicht einher mit einer Erhöhung des Personalbestandes, das Gegenteil ist der Fall. Personalzuweisungen werden – nicht zuletzt mit dem Hinweis auf die fortschreitende Digitalisierung – reduziert, die Aufgaben hingegen nehmen zu.

Klar gesagt: Die Steuer-Basis-Gewerkschaft lehnt die Erweiterung der Öffnungszeiten aus den vorgenannten Gründen ab. Man sollte diese schnellstmöglich als das begraben, was sie ist:

Eine Schnapsidee auf Kosten der Beschäftigten der Finanzämter in Niedersachsen.